Innovation

Abschied vom Strichcode?

14.10.2025

Der Barcode war jahrzehntelang der stille Taktgeber im weltweiten Warenfluss. Doch nun kündigt sich sein Nachfolger an: Der zweidimensionale Code soll mehr können, mehr wissen – und mehr leisten. Mit „GS 1 Sunrise 2027“ beginnt der Einzelhandel, seine Infrastruktur umzubauen.

Was wie ein technisches Detail wirkt, verändert in Wahrheit ganze Lieferketten. Wer in Produktion, Logistik, Verpackung und Handel arbeitet, muss sich jetzt neu aufstellen. Der Code der Zukunft kommt – Zeile für Zeile. Denn was auf Etiketten passt, steht auch für den Umbau ganzer Systeme. Mit dem 2D-Code zieht nicht nur ein neues Symbol in die Kasse ein – sondern ein anderes Verständnis von Daten, Prozessen und Transparenz.

Was genau ist „GS 1 Sunrise 2027“?

Die Organisation GS 1, verantwortlich für globale Standards in der Warenkennzeichnung, hat mit „Sunrise 2027“ einen Fahrplan vorgelegt: Bis Ende 2027 sollen sämtliche Kassensysteme in der Lage sein, auch zweidimensionale Codes zu lesen. Ab 2028 steht es den Herstellern frei, ganz auf diese neuen Codes umzusteigen – der klassische EAN-Strichcode bleibt aber weiterhin gültig.
Der Hintergrund: Der alte Barcode kann nur eine einzige Information transportieren – meist die Produktnummer. In einer datengetriebenen Welt reicht das nicht mehr. Der 2D-Code kann mehrere Informationen gleichzeitig aufnehmen – auf einer ähnlich kleinen Fläche.

Wozu braucht man überhaupt so viele Daten auf der Verpackung?

Produkte enthalten heute mehr als nur einen Preis: Haltbarkeitsdaten, Chargennummern, Seriennummern, Informationen zur Herkunft oder zur Einhaltung von Umweltstandards. All das kann künftig direkt im Code enthalten sein – maschinenlesbar, sofort auswertbar, über die gesamte Lieferkette hinweg.
Das macht Prozesse effizienter: Ein einziges Scannen genügt, um ein Produkt zu identifizieren, seine Geschichte zu prüfen und sogar Rückrufaktionen auszulösen. Auch die Kunden profitieren: Per Smartphone lassen sich Informationen zu Herkunft, Inhaltsstoffen oder Nachhaltigkeit abrufen. Kommt Ihnen bekannt vor? Genau, hier handelt es sich um eine Kerneigenschaft der Track & Trace-Pflicht, die seit der TPD2 gilt.

Der Umstieg ist kein Knopfdruck

Doch was wie ein technischer Fortschritt klingt, bedeutet in der Praxis einen tiefen Eingriff in bestehende Prozesse. Denn die Druckqualität eines 2D-Codes ist entscheidend – sonst lässt er sich an der Kasse nicht lesen. Im Gegensatz zum linearen Code, der vergleichsweise robust ist, sind 2D-Codes empfindlicher. Sie bestehen aus vielen kleinen Modulen, oft nur wenige Zehntelmillimeter groß. Bereits geringfügige Abweichungen können zu Fehlern führen.
Deshalb müssen Unternehmen ihre Drucksysteme und Verpackungsmaterialien aufeinander abstimmen – ebenso die Hersteller von Lesegeräten. Besonders herausfordernd wird es bei Verpackungen aus transparentem Kunststoff, bei glänzenden Oberflächen oder bei hoher Liniengeschwindigkeit. Für solche Fälle braucht es spezialisierte Verfahren in der Herstellung und zuverlässige Erkennungssysteme, vor allem im Groß- und Einzelhandel.

Eine Branche unter Zugzwang

Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch nicht in der Technik – sondern im Timing. Denn der neue Code wirkt wie ein Katalysator: Wer ihn richtig nutzt, kann die Effizienz in der Produktion steigern, Rückverfolgbarkeit verbessern und neue digitale Dienste anbieten. Wer zu spät umstellt, riskiert ineffiziente Prozesse, Fehlstände, Rückläufer oder sogar Lieferverzögerungen.
Auch wirtschaftlich hat die Umstellung Folgen: Systeme müssen angeschafft, Software angepasst, Personal geschult werden. Gleichzeitig sinken langfristig die Kosten – etwa, wenn Etiketten entfallen oder Rückrufe schneller abgewickelt werden können. Auch die Missverständnisse bei AGES-Kontrollen (siehe Seite 16) könnten so minimiert werden.

Zwischen Regulierung und Markt

Zwar ist die Umstellung auf 2D-Codes formal freiwillig. Doch der Druck kommt von mehreren Seiten: Von den Händlern, die ihre Kassensysteme umrüsten. Von Plattformen, die digitale Produktausweise verlangen. Und von Regulierungsbehörden, die strengere Anforderungen an Rückverfolgbarkeit und Transparenz stellen – etwa im Lebensmittel-, Pharmabereich und eben im Bereich der sensiblen Genusswaren.
In China und den USA sind bereits großflächige Umstellungen im Gange. Auch die EU dürfte künftig auf eindeutige Produktkennzeichnungen setzen – etwa im Rahmen der Digital Product Passport-Initiative. Wer heute investiert, verschafft sich also nicht nur Effizienz, sondern auch Regelkonformität von morgen.

Was bleibt – und was sich ändert

Entgegen einem verbreiteten Missverständnis ersetzt der 2D-Code den Barcode nicht vollständig. Beide Systeme werden zunächst parallel existieren. Auch die bekannten Klartextangaben – etwa Haltbarkeitsdatum oder Losnummer – bleiben erhalten. Sie sind für Verbraucher ebenso wichtig wie für den Notfall: Wenn ein Scanner ausfällt, soll das Produkt dennoch identifizierbar sein.
Doch mittelfristig wird sich der Fokus verschieben: Weg vom rein logistischen Strichcode, hin zu einem Informationsmodul, das alle Beteiligten – Hersteller, Händler, Verbraucher – mit relevanten Daten versorgt.

Was ist GS 1 Sunrise 2027?

Was passiert?
Bis Ende 2027 sollen alle Kassensysteme in der Lage sein, 2D-Codes zu lesen – zusätzlich zum klassischen Barcode. Ab 2028 dürfen Hersteller vollständig auf 2D-Codes umstellen.
Was bringt der neue Code?
Er fasst mehr Daten auf kleiner Fläche: u.a. Haltbarkeitsdatum, Chargennummern, Seriennummern, Herkunftsangaben. Diese Informationen sind maschinenlesbar und eröffnen neue Möglichkeiten für Rückverfolgbarkeit und Kundenkommunikation.
Was bleibt beim Alten?
Der Strichcode verschwindet nicht automatisch. Auch lesbare Klartextangaben (z. B. Ablaufdaten) bleiben erhalten – insbesondere in regulierten Branchen wie Pharma oder Medizintechnik.
Was ist der Unterschied zu QR-Codes?
QR-Codes sind eine Form von 2D-Codes, meist für Verbraucher gedacht (z. B. Links, Infos). Im Handel kommt der GS 1 DataMatrix zum Einsatz, der international genormt ist und Produktdaten in strukturierter Form enthält.

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