Neustart mit Hochglanz-Trafik
Wolfgang Wasinger legt derzeit seinen dritten Start und seinen zweiten Versuch am Hauptbahnhof Wien hin. Wir haben hinter die Kulissen geblickt.


„Ich wollte immer selbstständig sein“, erzählt Wolfgang Wasinger, der eigentlich Tierarzt werden wollte. Es kam dann ganz anders: Aufgrund einer schweren Krankheit wurde er stattdessen – noch keine 30 Jahre jung – Trafikant in der Kolbegasse im 23. Wiener Bezirk .
Bahnhofstrafik 1
Im Zuge des Umbaus des Südbahhofs zum heutigen Hauptbahnhof bewarb sich Wasinger um eine Trafik. Und wurde abgelehnt. Dann läutete doch das Telefon, und MVG-Jurist Ernst Koreska fragte: „Wollen Sie auf vier Jahre befristet Entwicklungshilfe für den Standort leisten?“ Der Trafikant stürzte sich also in das Abenteuer einer zweiten Trafik. Rasch machte sich Ernüchterung breit: Der Anfang war schwer, die Zahlen schlechter, als von der Monopolverwaltung prognostiziert. Mit viel Engagement und seinem Team rund um Tochter Vera lief das 40 Quadratmeter kleine Geschäft dann richtig gut an; man dachte bereits an einen generellen Wechsel aus Liesing in den Bahnhof. Dazu kam es aber nicht: Das Geschäft wurde neu ausgeschrieben und vergeben. Wolfgang Wasinger übergab noch im Sommer 2018, vor Ablauf der vier Jahre.
Bahnhofstrafik 2
Der Trafikant war aber auf den Geschmack gekommen und nahm einen neuen Anlauf. Im Icon-Tower, der dem Bahnhof vorgelagert ist und erst bezogen wird, sollte das neue Geschäft in der kleinen Mall liegen. Die MVG half nach Kräften, und der geplante Standort wäre genau im Übergangsbereich zur Bahnhofshalle gelegen – den krallte sich allerdings die Bawag. Ersatzweise wurde ein naher, in einer Fassadenrundung gelegener Standort angeboten. „Ich hatte genaue Vorstellungen, wie das Geschäft werden sollte – gerade am schlechteren Standort sollten sich die Leute herzlich empfangen fühlen“, berichtet Wasinger. Die Verkaufsfläche mit 103 Quadratmetern sowie Büro und Lager wäre sogar noch deutlich größer geplant gewesen – bei rund 400 Quadratmetern hatten Vermieter wie Monopolverwaltung aber Bedenken, dass eine derartige Trafik zu erdrückend für die Umgebung wird – wenn es überhaupt funktioniert! „Damit haben sie vermutlich recht gehabt“, meint der Trafikant nun selbst im Rückblick.
Das Pflichtenheft
Das geliebte Braunware-Geschäft sollte „in eine neue Dimension“ gehoben werden – mit Humidor und eigener Raucherlounge. Selbst für Iqos wurden bereits eigene Bereiche eingeplant, „weil Heat-not-burn einfach ein Zukunftsthema ist“, wie Wasinger meint. Die E-Zigarette bekam deutlich mehr Breite, um neben Geräten und Standardliquids auch Vape & Shake sowie eigene Aromen anbieten zu können. Produkte wie Raucherzubehör sollten nicht in verschlossenen Vitrinen, sondern in Selbstbedienung zu greifen sein. „Natürlich hat man da mehr Schwund, aber der Umsatz ist um vieles höher“,
zerstreut Wasinger die Bedenken.
Für all diese Produkte wurde eine Beratungszone mit ausreichendem Abstand zum Kassenbereich der Laufkunden eingerichtet. Und angesichts der Sortimentsbreite sollten auch ausreichende Lagerflächen möglichst unsichtbar integriert werden.
Nicht ohne Anwalt
„Ich kann nur jedem Kollegen empfehlen, nicht bei der Rechtsberatung zu sparen“, plaudert Wolfgang Wasinger aus dem Nähkästchen. „Mein Anwalt konnte den ursprünglich sehr vermieterfreundlichen Vertrag, der mir hohe Haftungen umgehängt hätte, letztlich auf einen ziemlich mieterfreundlichen umverhandeln. Und als es Differenzen zwischen dem Center und mir wegen eines im Nachbargeschäft gelegenen Abflusses gegeben hat, wurde ein mehrwöchiges Betretungsverbot für die Baustelle ausgesprochen. Auch da war der Anwalt jeden Euro wert.“
Planung & Bau
Überhaupt vertraute Wasinger auch sonst auf Profis: Das Geschäft hat ein Architekt geplant, der auch die Bauaufsicht hatte. Und die wegen drohender Kostenexplosion getätigte Ausschreibung holte sich Trup Design.
Billig wurde das Geschäft so auch nicht: Sonderwünsche wie die Holzwand, deren Profile aus sechs verschiedenen Fräsungen bestehen (und die danach eine 5-Schichten-Metalliclackierung erhalten hat), sind nur ein kleiner Teil der Kosten. Die umfangreichen Stauräume sind perfekt versteckt, der begehbare Humidor steht mitten im Geschäft, und auf sein besonders teures Alleinstellungsmerkmal ist Wasinger richtig stolz: „Die runden Säulen mit den umlaufenden Monitoren hat sonst niemand. Ich spiele hier Werbung auf, und außerdem sorgen die Säulen für erhöhte Aufmerksamkeit von außen.“
Letztlich dauerte es von der Übergabe des Rohbaus bis zur Eröffnung fünf Monate, in denen keine Miete, sondern ausschließlich die Betriebskosten zu berappen waren. „Ich habe aber das gesamte Personal, das mitgehen wollte, behalten und sie in dieser Zeit mitgetragen. So ein tolles Team muss man zusammenhalten!“, erklärt Wasinger.
Noch keine Goldgrube
Im Februar eröffnete die neue Trafik Wasinger, kurz nachdem sich Chef Wolfgang bei einem Glatteis-Sturz schwer verletzt hatte und – vorübergehend im Rollstuhl sitzend – ausgefallen war. Wie läuft es denn so? „Derzeit kostet mich das neue Geschäft mit jedem Tag Geld“, überrascht der Trafikant. „Dieser Tower wird in zirka einem Jahr voll besiedelt sein, dann wird die Trafik kostendeckend. In den nächsten 2–3 Jahren entstehen im Umfeld aber so viele Arbeitsplätze, dass das ein richtig guter Standort wird. Schon jetzt läuft das Geschäft von Woche zu Woche immer besser.“
Den Stolz des Hausherrn teilt ganz offenkundig auch sein Team. Und auch die Kunden machen große Augen und loben die Trafik Wasinger. Schön langsam wird das neue Geschäft auch von bisherigen Stammkunden wiederentdeckt, die sich freuen, die nette Mannschaft in neuer Größe vorzufinden.
Die Familie Wasinger ist mit der neuen Trafik und sehr genauen Vorstellungen, wie sie werden sollte, „all in“ gegangen und hat das gut gehende Stammlokal in der Kolbegasse mittlerweile übergeben – wir drücken für eine erfolgreiche Zukunft im Bahnhofstower die Daumen.
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