Die Warenwirtschaft für die Arbeit in Trafiken
Schon seit Jahrzehnten gehört eine Warenwirtschaft (WaWi) als fixer Bestandteil zu Kassensystemen; speziell jenen des Handels. In ihr werden alle Informationen und Vorgänge des Unternehmens dokumentiert, welche das Handling mit Waren betreffen – also Bestellung, Lieferung, Verkaufsvorgänge, Lagerstand und Inventur.
Die wichtigsten Informationen
Zu den Basisinformationen der WaWi zählen der Name des Artikels, der Preis, die Steuerhöhe, die jeweilige Warengruppe welcher der Artikel angehört sowie Informationen über den Lieferanten. Diese Basisinfos können in der Software um Artikelbilder, Infotexte, durchschnittlichen Einkaufspreis, die Bestellnummer, den EAN-Code, die Bestelleinheit etc. nahezu beliebig erweitert werden.
Für den Tabakbereich bieten die Großhändler diese Artikelstammdaten routinemäßig an. Auch Aktualisierungen von Verkaufs- und damit auch Einkaufspreisen werden von diesen Unternehmen automatisch an die Kassenanbieter weiter gegeben, die ihrerseits ein Online-Update für ihre Kunden machen. Bei größeren Großhändlern gilt dieses Service teilweise auch für ihren Nontabak-Bereich, was angesichts von teils zehntausenden Artikeln den Trafikanten viel Zeit bei Einkauf und Bestellung spart.
Für kleinere Großhändler bietet Toptech beispielsweise an, deren Artikelliste im Excel- oder CSV-Format über den Universal-Importer verfügbar zu machen. Postronik überarbeitet die zur Verfügung gestellten Listen und stellt sie den Trafikanten am Server zur Verfügung, ein individueller Import der Excel-Daten ist aber auch für jede einzelne Trafik möglich.
Derzeit wird unter Federführung der MVG eine Schnittstelle erarbeitet, welche die Daten der Großhändler sowie die unterschiedlichen Kassensysteme standardisiert verbinden soll.
Warengruppen
Je nach Kassenanbieter sind in der Datenbank 15-25 Warengruppen mit bis zu 100 Untergruppen vorangelegt. Beim Import von Artikeln werden diese den vorhandenen Warengruppen zugeteilt.
Kann ein Artikel keiner Warengruppe zugeordnet werden so besteht die Möglichkeit, eigene Gruppen anzulegen. Diese Möglichkeit sollte aber mit Bedacht genutzt werden, um den Umfang der WaWi nicht völlig ausufern zu lassen und eine gewisse Übersichtlichkeit zu bewahren.
Gleichzeitig verändert sich das Produktangebot in der Trafik und mit ihm die Struktur der Warenwirtschaft: Während neue Produkte wie E-Zigaretten, Kaffee, Pouches etc. dazukommen fallen andere weg.
Nicht-physische Produkte
Körperlose Produkte wie E-Loading, Lotto, Online-Vignetten, Theaterkarten etc. müssen ebenfalls in der WaWi angelegt sein, damit diese und der Kassastand übereinstimmen. Sie werden auf der jeweiligen Oberfläche (z. B. load.ag, tobaccoland, Lotterien etc.) gebucht und als Warenkorb in die Kassa übernommen.
Bestellung & Lieferung
Sinnvoller Weise wird direkt aus der Warenwirtschaft bestellt, um die Vorteile des Systems zu nutzen – so sind gleich jene Artikel und Stückzahlen hinterlegt, die geordert wurden. Gleichzeitig kann nur so jede einlangende Lieferung auch mit daneben geöffneter WaWi auf Vollständigkeit überprüft werden. Etwaige noch nicht gelieferte Artikel werden als bestellt, aber nicht erhalten, in der Warenwirtschaft behalten.
Für jeden Artikel kann in der Software ein Meldebestand angelegt werden, bei dessen Erreichen das System automatisch eine Bestellung vorschlägt. Der Bestellvorschlag der Warenwirtschaft stützt sich zudem auf die „Erfahrungen“ definierbarer Zeiträume und funktioniert bei korrekt geführter Kombination aus Warenwirtschaft und Lager teils so gut, dass manche TrafikantInnen nur noch mit diesen automatisierten Vorschlägen arbeiten. Dies hat den Vorteil, dass ein rechtzeitiges Bestellen in ausreichender Menge nicht von der Übersicht von TrafikantIn und/oder MitarbeiterIn abhängt – und gerade bei gefragten Artikeln will schließlich niemand ausverkauft sein.
Zeitschriftenverwaltung
Die EH2000-Zeitschriftenverwaltung ist eine auf Printerzeugnisse spezialisierte Warenwirtschaft. Diese Software ist auch bei überschaubarem Zeitungs- und Zeitschriftenangebot sinnvoll, da mit ihrer Hilfe die Bestellungen sowie die sonst deutlich arbeitsaufwändigere Rechnungskontrolle sowie Retourenverwaltung vergleichsweise rasch und einfach abgewickelt werden können.
Sonderthema Zigarettenautomat
Derzeit wird von den allermeisten TrafikantInnen jede Bestückung des Automaten als „an den Automaten verkauft“ verbucht; das Gerät wird also wie ein Kunde behandelt. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Ware für den Automaten sofort direkt vom Gesamtlager abgezogen wird. Da diese Ware aber "verkauft" wurde will die Warenwirtschaft sie bei der nächsten Bestellung nachbestellen (siehe oben). Gängige Kassensysteme können bei der Automaten-Telemetrie den aktuellen Stand abfragen (pull). Ein besserer Weg wäre es, wenn der Verkauf eines Produktes direkt von der Telemetrie an das Kassensystem gemeldet würde (push), womit der Automat als externes Lager im Sinne der Warenwirtschaft behandelt werden könnte.
Dies setzt voraus, dass die Telemetrie des Automaten für jede verkaufte Packung eine Verkaufsmeldung an die Warenwirtschaft absetzt. Erste Telemetrie-Systeme sind zu diesen push-Meldungen grundsätzlich schon in der Lage; diese Funktion wird beispielsweise für die Kombination Toptech/UKO derzeit erprobt und soll im Laufe des Jahres 2022 auf breiter Front ausgerollt werden. Von Postronik ist zu diesem Thema zu hören, dass diese Funktion ab einer sicheren Verfügbarkeit korrekter Telemetrie-Infos rasch integriert werden könne.
Berichte und Auswertungen
Korrekt geführt und mit dem realen Lagerbestand übereinstimmend ist die Warenwirtschaft gerade für kleine Unternehmen im Handel die Basis für jene Reports und Analysen, die gleich mehrere Funktionen erfüllen können:
- 1. Bestellplanung/autom. Bestellvorschlag
- 2. Sortimentsgenauer Überblick, allen voran die Fragen „Was verkaufe ich?“ und „Was verdiene ich damit?“
- 3. Beurteilung und Quantifizierung von erfolgreichen Produkten und Ladenhütern (Renner-Penner-Listen), gemeinsam verkaufte Produkte etc.
- 4. Performance-Vergleich und Kontrolle von Mitarbeitern
- 5. Bestandskontrolle (laufende kleine sowie Jahresinventuren)
Kommentar von Andreas Schiefer:
Rund um die Warenwirtschaft kann man – wie ich selbst zu Beginn – viele Fehler machen. Im Vorfeld empfehle ich den Kontakt zu erfahrenen Kollegen, denn die einmal angelegte WaWi hat man dann lange. Beginnen sollte man mit einer Lagerverwaltung bei Zigaretten und Tabakwaren – da braucht man Übersicht, ob man Fehler macht, beklaut wird etc. Dazu lässt sich bei Bestellungen viel Zeit sparen. Wenn das System einmal funktioniert, kann man es ausweiten.
Um sich die Artikelgruppen gut vorstellen zu können, darf auch gerne zu Bleistift und Papier gegriffen und ein „Artikelbaum“ gezeichnet werden. Mit nicht zu vielen Untergruppen – oft sind bspw. Preisgruppen sinnvoller als Themensortierungen. Und bitte nicht jedes Produkt, zu dem es Lieferanten-Daten gibt, auch gleich anlegen – sonst geht die WaWi über!
Damit sich die Warenwirtschaft zur Erfolgs-, aber auch Mitarbeiterkontrolle eignet, gilt eine eiserne Regel: Alle Einkäufe laufen über die WaWi und alle Verkäufe werden über die Kassa boniert. Dann lassen sich Auswertungen wie eine „Renner/Penner“-Liste der bestverkauften Artikel sowie der Ladenhüter anlegen. Was wird gemeinsam gekauft? Eine Auswertung kann auch zeigen, ob spannenarme „Frequenz“-Artikel wie Vignette oder Fahrscheine wirklich das erhoffte Zusatzgeschäft bringen. Selbst erfahrene TrafikantInnen erleben da oft noch Überraschungen.
Ich kann mir aber auch auswerten, ob es bei einzelnen Mitarbeitern auffällig oft schlechte Umsätze, viele Stornos, Abbrüche oder Retouren gibt – und dann die Kassa sowie mithilfe der WaWi den Lagerstand betroffener Produkte kontrollieren. Die Mitarbeiter sollen ruhig wissen, dass man aufpasst!
Gleichzeitig sollte die Warenwirtschaft keine „Chefsache“ sein: Vertrauenswürdige Mitarbeiter sollen durchaus selbstständig und korrekt Bestellungen, Lieferungs-Einbuchungen und Automaten-Bestückungen machen und die/den TrafikantIn entlasten.