Lockdowns richten Blutbad im stationären Handel an

Studie
05.01.2021

 
Die drei Lockdowns werden den offline-Einzelhandel bis zu 8,5 Mrd. Euro an Umsatzverlusten kosten. Zudem ändert sich das Einkaufsverhalten der Menschen.
Die Kosten durch Umsatzverluste in den Lockdowns steigen - dabei gelten die genannten Zahlen "nur" für den Handel. Von Gastonomie, Hotellerie, Tourismuswirtschaft, Dienstleistern, Handwerkern, Bauwirtschaft etc. liegen noch keine Zahlen vor.

Das Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler-Universität in Linz hat sich genauer angesehen, was die Lockdowns 1, 2 und 3 im Handel anrichten, aber auch in den Köpfen der Konsumenten verändern. Bereits durch den sechswöchigen Lockdown #1 hat der stationäre Einzelhandel rd. € 3,8 Mrd. Brutto-Umsatz - unter anderem durch den Wegfall des wichtigen Ostergeschäfts - verloren. Im Lockdown #2 sind bei 17 geschlossenen Einkaufstagen weitere rd. € 2,2 Mrd. hinzugekommen, da die täglichen Umsatzverluste in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit deutlich höher als im März/April ausgefallen sind.

Lockdown #3 hat die ohnehin angespannte Situation im stationären Einzelhandel nochmals verschärft und den Non-Food-Einzelhandel weitgehendst um das lukrative Nach-Weihnachts-geschäft gebracht. Üblicherweise werden Ende Dezember bzw. Anfang Jänner Geschenkgutscheine eingelöst und im Zuge dessen vielfach Zusatzeinkäufe getätigt.

Finanzielles Blutbad für den Handel

So überrascht es nicht, dass die täglichen Umsatzverluste in den Dezembertagen nach Weihnachten mit rd. € 140 Mio. nochmals höher als im Lockdown #2 (rd. € 130 Mio. pro Tag) ausgefallen sind. Für die geschlossenen Einkaufstage im Jänner ergeben sich rechnerisch Umsatzausfälle von täglich rd. € 100 Mio., da das Umsatzniveau im Jänner deutlich geringer als im Dezember ist. Bis zur (ursprünglich) geplanten Öffnung des gesamten Non-Food-Einzelhandels am 18. Jänner hätten sich die Umsatzverluste auf rd. € 1,9 Mrd. summiert.

Die Verlängerung des Lockdowns #3 um eine Woche – wie aktuell diskutiert – würde einen zusätzlichen Umsatzentgang in den geschlossenen Einzelhandelsbranchen in Höhe von rd. € 600 Mio. (brutto) verursachen. In Summe wird daher dem stationären Einzelhandel im Lockdown #3 nicht rd. € 1,9 Mrd., sondern rd. € 2,5 Mrd. Brutto-Umsatz entgehen. Sollte der Lockdown #3 (hypothetisch) dann ein weiteres Mal bis Ende Jänner verlängert werden, würden sich die Umsatzverluste auf insgesamt rd. € 9,1 Mrd. erhöhen.

Lockdowns beschleunigen Trends

Eine Verlängerung des derzeitigen Lockdowns #3 setzt bestehende Trends fort:

  • Akkumulierung des Ersparten (die Sparquote der privaten Haushalte hat sich lt. Wifo-Prognose 2020 verdoppelt),
  • Marktanteilsgewinne des (internationalen) Onlinehandels und „Förderung“ der Plattformökonomie (Stichwort: funktionsloser Zwischenhandel) mit einhergehender Entwöhnung der Konsument*innen hinsichtlich des stationären Einkaufs und
  • weiteres Auseinanderklaffen der diametralen Entwicklungen unterschiedlicher Branchen (Lebensmitteleinzelhandel vs. modische Branchen) bzw. Sektoren (Online vs. Offline).

Tatsächlich zeigen die Zahlen nur den unmittelbaren Schaden für den Non-Food-Einzelhandel und die mittelfristigen sowie langfristigen Folgen bleiben vielen verdeckt. Für die nächsten Jahre ist zu befürchten, dass der Aderlass im stationären Einzelhandel durch den vermehrten Austritt von Unternehmen aus dem Markt die Einzelhandelsstruktur Österreichs nachhaltig verändern wird und Österreich insbesondere im ruralen Raum (nicht nur im Bereich der kleinen Lebensmittelgeschäfte) Nahversorgungslücken drohen.

Die Abwärtsspirale von urbanen Handelsstandorten (Stichwort Niedergang der Einkaufsstraßen, vor allem der weniger frequentierten B- und C-Lagen) wird sich beschleunigt fortsetzen. Es stellt sich für den Einzelhandel insgesamt die Frage, ob die Neben- und Wechselwirkungen sowie die Gewöhnungseffekte der verabreichten bitteren Medizin (Anm. Lockdown) mittlerweile nicht größer sind, als die heilende Wirkung.