Personalmangel?

„Man muss die Menschen mögen“

Personal
16.10.2023

Personalmangel? Muss nicht sein. Hier ist ein Erfolgsbeispiel samt Tipps und Tricks.
Halmenschlager

In Reinhold Halmenschlagers Trafik in der Unteren Augartenstraße in Wien herrscht lebhaftes Treiben. Zwei Stammkundinnen trinken Automatenkaffee und führen einander Dehnungsübungen vor. Ein Mann erfährt beim Bezahlen eines sichtlich teuren Glückwunschbilletts, dass er hier auch Briefmarken bekommt: „Die gibt’s sonst nur mehr auf der Post.“ Ein zweiter leistet sich Zigarren fürs Wochenende, ein dritter muss gar nicht seine Zigarettenmarke nennen – die Verkäuferin weiß sie schon. Alle paar Minuten rattert der Euronet-Bankomat vor der Tür, wenn Passanten Geld herausziehen. Es herrscht Bassenastimmung, der Schmäh rennt, jeder redet mit jedem und alle fühlen sich wohl. Auch die Angestellten. Drei fixe Mitarbeiterinnen hat Halmenschlager derzeit, sein „Küken“ (er nennt sie wirklich so) ist 56 Jahre alt. Die beiden anderen sind frisch pensioniert, machen aber weiter. Warum sollten sie allein daheim herumsitzen? 

Halmenschlager ist kein typischer Trafikant. Da ist einmal seine feste Überzeugung, zusätzlich zum Standardsortiment alles anzubieten, was erlaubt ist und nachgefragt wird: Paketannahme, Printservice, Eskimo-Eis. Auch Briefmarken, auf die viele Trafikanten inzwischen verzichten: „Es geht immer auch etwas anders mit.“ Kurzparkscheine etwa, auch einzeln. „Wozu sollte sich ein Niederösterreich einen Zehnerblock kaufen? Das ärgert ihn nur.“ Besser, er nimmt Brieflose mit. Stichwort Nachfrage: Selbstverständlich ist die Trafik auch an den Vorweihnachtssamstagen geöffnet. „Da geht umsatzmäßig die Post ab!“

Das stärkste Verkaufsargument ist die Stimmung: „Man muss die Menschen mögen.“ Halmenschlager steht hier seit 40 Jahren hinter der Budel. Als WU-Student – er schloss nie ab – half er bei den Eltern seiner damaligen Freundin aus. Die Beziehung hielt nicht, das Arbeitsverhältnis schon, bis er die Trafik schließlich übernahm. 

Behandle deine Mitarbeiter gut

Personalsorgen? Breites Lachen: „Nie!“ Mundpropaganda ist alles. Wenn er jemanden sucht, fragt er einfach jeden, der hereinkommt und so aussieht, als würde er oder sie nette Leute kennen. Sogar beim Gassigehen mit dem Hund fand er eine Mitarbeiterin. Da vertraut er auf sein Bauchgefühl. Die Kollegin, die gerade an der Kasse steht, sprach er beim Bäcker an. Dort war sie als Arbeiterin angemeldet. Als Angestellte bekommt sie jetzt ein paar Hunderter mehr. Er legt freiwillig noch drauf: „Zur Motivation. Wenn die stimmt, zahle ich gerne mehr. Weil fröhliche Mitarbeiter ziehen Kundschaft ins Geschäft.“ Die Rechnung geht immer auf. Diese Kollegin brachte ihren gesamten Fanclub vom Bäcker mit. 

Und junge Leute? Wie würde Halmenschlager Millennials für seine Trafik gewinnen? Genauso, sagt er. Dann fragt er eben explizit nach jungen Leuten. Die tun sich leicht in seinem „vollelektronischen“ Geschäft: Videoüberwachung, digitale Dienstleistungen, elektronische Abrechnung. Den Jungen macht das großen Spaß, damit kann man sie ködern. „Eine Studentin hatte die Kasse am zweiten Tag verstanden. Die Älteren brauchen länger.“ Freiheit und Flexibilität, wie sie der jungen Generation Z so wichtig sind, gibt er ohnehin jedem. Obwohl jede Altersgruppe sie anders definiert. Ältere wollen einen festen Rahmen, aber das Recht, auch mal zu verschieben. Jüngere wollen kommen und gehen, wie es ihnen gefällt. Sie müssen ständig büffeln, nach der Prüfung ist vor der Prüfung. Also wird jeder Termin einzeln ausgemacht. Dank mehrerer Eisen im Feuer gleicht sich das immer gut aus. Das Geheimnis ist, dass sich die Leute ihre Schichten untereinander ausmachen, soweit es möglich ist. Wenn nicht gerade Notstand herrscht: Kurz vor dem ersten Lockdown 2020 wollte sich halb Wien mit Zigaretten eindecken. Den Ansturm konnte er nur mit voller Besatzung bewältigen: „Ich habe meine Leute durchgerufen und alle sind gekommen!“

Während sich die „Mittelalten“ über feste Teilzeitjobs freuen, bevorzugen Pensionisten und Studenten geringfügige Anstellungen. Erstere aus steuerlichen Gründen, zweitere auch wegen der Familienbeihilfe. Sie sind dann nur unfallversichert, nicht aber pensions-, kranken- und arbeitslosenversichert. Das sind sie ohnehin über Uni oder Eltern. Was sie im Semester weniger arbeiten, holen sie in den Ferien nach. „Man muss sich nur bewusst sein, dass Studenten nicht so lang bleiben wie Ältere oder Wiedereinsteigerinnen, die mehr Sicherheit suchen. Etwas auf Dauer.“ Studenten sind nach dem Studium weg. Bis dahin kann es aber Jahre dauern. 

Wo man gute Leute findet

Angenommen, die Mund-zu-Mund-Propaganda bringt ausnahmsweise nichts. Wo würde er dann suchen? „Zettel in die Auslage“, fällt ihm als erstes ein. So wie beim Bäcker nebenan, der Ersatz für seine Verkäuferin sucht. Oder ein Inserat auf Willhaben, „dort bekommt man alles.“ Oder ein Posting auf Facebook, zusammen mit der Bitte um Verbreitung. Wer gerne mit jungen Leuten arbeitet, kann auch an Schulen in der Umgebung fragen oder dort einen Zettel ans Schwarze Brett hängen. Pflichtschulabsolventen, Abbrecher und Aussteiger suchen Orientierung und einen sicheren Hafen. Halmenschlager hat auch keine Berührungsängste mit Migranten: „Ich sage jedem, dass alles auf Video aufgenommen wird.“ Auch das AMS kann eine gute Personalquelle sein, aber nur, wenn er sich die Leute selbst aussuchen kann. Die kaugummikauenden Typen, die manchmal vorbeikommen und lustlos den AMS-Zettel zum Abstempeln hinhalten, ärgern ihn nur. „Wer sich nicht einmal sauber anzieht, bekommt auch keinen Stempel.“ Grantig ist er dann aber nur kurz: „Weil wenn du grantig bist, kommen die Kunden nicht mehr. Und wenn du dann keinen Umsatz hast, wirst du noch grantiger.“