Automat hinter Gittern

Trafikanten
01.07.2021

Die Anfänge in einer kleinen Dorftrafik liegen hinter dem Ehepaar Hering. Am neuen Standort ist alles eine Nummer größer – dafür hat man andere Probleme.
Hinter der geschlossenen Vekleidung versteckt sich ein weiteres Warenlager.

Nach 25 Jahren beim Telekom-Störungstrupp waren Knie und Kreuz hin“, erzählt Andreas Hering. „Also habe ich mich nach einer Trafik umgeschaut.“ Im Jahr 2005 wurde im heimatlichen Großenzersdorf eine kleines, überschaubares Geschäftslokal übernommen und vom Ehepaar Hering zu zweit geführt. „Das war die ideale Lerntrafik“, schildert der Trafikant die Anfänge.

Ans andere Ende

Seit 1. Juli 2013 pendeln die Herings täglich aus dem Marchfeld in ihre neue Trafik am Wiener Meiselmarkt. Hier ist alles deutlich größer, die Umsätze mit Tabakwaren, aber auch beim Lotto spielen in einer anderen Liga. Die hohe Kundenfrequenz am Eingang des kleinen Einkaufscenters sowie die langen Öffnungszeiten sorgen dafür, dass inzwischen mit sechs Angestellten gearbeitet wird. „Wir sperren um halb sieben auf und um 19 Uhr wieder zu. Durch die Lage an U-Bahn, Straßenbahn- und Bushaltestellen hätten wir auch nach 21 Uhr noch Frequenz – aber das dürfen wir nicht.“ Offenbar sitzt man an einer profitablen Ecke.

Hartes Pflaster

Die Sitten sind aber auch rauer, wie Andreas Hering erzählt: „Sie glauben nicht, wie oft mir Leute das Automatendisplay eingetreten haben – ohne vorher Geld eingeworfen zu haben. Das sehe ich auf den Überwachungs-videos. Dann habe ich mir von einem Schlosser dieses massive Gitter bauen lassen.“ Dabei käme man selbst nach dem Aufbrechen des Automaten nicht an die Ware heran – das inzwischen rund 14 Jahre alte Stück hat ein externes Warenlager, weil die Hausverwaltung ein klassisches Außengerät nicht erlaubt. 

Investition in den Automaten

So mitgenommen das Äußere wirkt – technisch funktionieren Förderband und Schächte noch sehr gut. Ärger machte da vielmehr die Bedienung: Die Geldscheinannahme blockierte, Retourgeld-Münzen blieben hängen. „Und ich konnte nicht centgenau abrechnen – das hat mich ganz narrisch gemacht“, schildert der Trafikant. Der ursprüngliche Anbieter des Automaten existiert jedoch längst nicht mehr.

Seit wenigen Wochen ist das gute Stück nun mit UKO-Technik aufgerüstet: „Das Quick-Modul, der Banknotenleser und der 6-Tuben-Münzwechsler sind neu. Dazu läuft nun die neueste Software und eine Telemetrie, die ich sehr angenehm finde.“ Auf die Frage, ob sich die Investition gelohnt habe, nickt Hering: „Auf jeden Fall. Ich habe rasch eine deutliche Umsatzsteigerung bemerkt, weil der Automat funktioniert, statt die Leute zu frustrieren. Dazu sind mir Kontrolle und genaue Abrechnung sehr wichtig, und das habe ich jetzt endlich. Der Umbau war nicht einmal zeitaufwändig, weil sogar die alten Stecker gepasst haben.“

Das Nebengeschäft

In Großenzersdorf waren Billets fast ein Ladenhüter, ein Display Feuerzeuge verkaufte sich über Monate. „Hier ist ein Messeangebot Feuerzeuge in einer Woche weg, und Glückwunschkarten sind ein Renner“, zeigt sich Andreas Hering froh. „Ich bin aber auch wirklich gut sortiert. Kürzlich wollte eine Kundin eine Karte zum 103. Geburtstag, und ich hatte sie nicht. Das passiert mir nicht mehr! Dazu habe ich ein Produkt entdeckt, das häufig gefragt wird: Trost zur Scheidung. An diesem Standort brauche ich mir über Edelprodukte wie Cigarren keine Gedanken zu machen. Aber Billets oder die neuen E-Shishas verkaufen sich wie warme Semmeln.“

Runderneuerung

Zu Pfingsten 2014 wird das gesamte Geschäft neu gestaltet. Zeitschriften und Billets rücken weiter ins Blickfeld der Kunden, ein zweiter Kassenplatz soll die bisherigen Staus auflösen. Die Herings freuen sich schon auf die neue Arbeitsumgebung, die im Rahmen einer Kooperation mit JTI und Trup Design entstehen wird. „Dann werden auch die Fassade und das ramponierte Äußere des Automaten gemacht“, kündigt Andreas Hering an. Damit auch außen glänzt, was innen neu ist.

Erstmalige Veröffentlichtung im April 2014