Pairing
Süßes Gift: Warum Zigarren Prädikatsweine lieben
Wer die bisherigen Teile unserer Zigarren-Pairing-Serie verfolgt hat, wird nicht überrascht sein, dass die süße Spitzengruppe der Weinwelt kongeniale Rauch-Begleiter darstellt. Rechtlich als „Prädikatsweine“ definiert, schließen sie wie der Rum mit teils sehr hohem Zuckergehalt – 400 Gramm sind bei einem „Ruster Ausbruch“ keine Seltenheit! – an eine „systematische Lücke“ des Tabaks an. Sie bilden nämlich den Komplementär-Geschmack zu den herb-bitteren Zigarren-Geschmacksnoten. Die Parallele zum Rum als wohl bestem Zigarrenbegleiter unter den Getränken kann man durchaus fortsetzen, speziell wenn eine Trockenbeerenauslese (TBA) der Sorte Rotgipfler aus Meisterhand im Spiel ist. Otmar Biegler, Josef Piriwe oder Hannes Hofer wären dabei die idealen Winzer aus der Thermenregion – sie erzeugen Süßweine mit ausgeprägten, reifen Mango- und Ananas-Anklängen, so intensiv wie manche Jamaika-Abfüllung.
Wie wird Wein eigentlich süß?
Die TBA bringt den höchsten Zuckergehalt mit, was es diesen mit viel Risiko im Weingarten verbundenen Weinen aktuell schwer macht. „Genauso gut könnte „Gift“ auf den Flaschen stehen“, hat Gerhard Kracher als einer der Weltstars des Prädikatsweins das Dilemma im Inland einmal provokant formuliert. Denn während der Export aufgrund der Seltenheit der Süßweine blüht, hat man hierzulande die Freude an den keineswegs eindimensional süßen Abfüllungen verloren. Dabei zahlt es sich vor allem aus, die Abstufungen in Sachen nicht trockener Weine genauer zu kennen.
Der Zucker der Weintrauben, immerhin 150 und 250 Gramm Zucker pro Liter Saft, wird in der Regel bei der Gärung zur Gänze „verbraucht“. Die in trockenen Weinen verbliebenen Spuren von Glukose und Fruktose werden als Restzucker (z. B.: 3,5 gr RZ) angegeben. Doch es gibt Ausnahmen! Ein Gärstopp etwa erhöht den Restzucker ebenso wie bewußte Behandlungen der Trauben. Dazu zählen die älteste Methode – das Trocknen in der Sonne – ebenso wie das Ausfrieren der Trauben lange nach der eigentlichen Erntezeit. Dieser „Eiswein“ erhöht den Zucker durch Entzug des Wassers. Den gleichen Effekt hat auch der Pilz Botrytis Cinerea („Edelfäule“), der Trauben befällt, die bis November am Rebstock hängen bleiben. Dieser Pflanzenschädling, ein Edelschimmel, saugt quasi das Wasser aus den Trauben und konzentriert so die ebenfalls Aromen und den Zucker.
Kategorien der Süße: Von Auslese bis zu Strohwein
Im österreichischen Weingesetz unterscheiden sich die „Qualitätsweine besonderer Reife und Leseart“, volkstümlich Süßweine genannt, durch den Zuckergehalt bei der Lese. Sie wird in Grad KMW (= Klosterneuburger Mostwaage) bestimmt. Eine Spätlese ist dabei der trockenste Stil (mind. 19°KMW), eine muss im Mostgewicht mindestens 21°KMW erreichen. Eine „Beerenauslese“ erlaubt auch „edelfaule“ Beeren, die vom Schimmelpilz Botrytis cinerea befallen wurden (mind. 25°KMW). Die „Trockenbeerenauslese“, kurz: TBA, stellt laut Weingesetz „eine Beerenauslese aus größtenteils edelfaulen, weitgehend eingeschrumpften Beeren“ (mit mind. 30° KMW) dar. Einen Sonderfall stellt der „Ruster Ausbruch DAC“ dar; hier müssen die Trauben einer TBA in der Freistadt in Rust gelesen und verarbeitet werden. „Eiswein“ wiederum muss bei minus 7 Grad Celsius geerntet werden; die gefrorenen Beeren brauchen mind. 25° KMW. Auch die alte Technik des Weintrauben-Trocknens ist zulässig: „Strohwein“ bzw. „Schilfwein“ sieht drei Monate Trocknung und einen Anstieg in dieser Zeit von 25° KMW auf 30° KMW vor.
Basis der Partnerschaft: Zucker
Der große Vorteil für die Harmonie mit einer Zigarre liegt damit in der dosierbaren Süße. Da Riesling mit seinen Pfirsich-Aromen generell zu cremigen Kakao-Noten z. B. einer „Joya de Nicaragua“ passt, ist nur die individuelle Süße zu klären. Tendenziell enthalten die fruchtsüßen Varianten wie eine „Auslese“ (siehe Kasten!) auch mehr Säure. Und das muss nicht immer mit dem Rauch harmonieren. Generell gut funktionieren hingegen reife Varianten einer TBA, wobei zehn bis 20 Jahre im Keller kein Problem darstellen. Ähnlich wie bei Vintage-Zigarren bringt die Lagerung auch beim Prädikatswein rundere und tiefgründigere Geschmacksnoten zum Vorschein. So passt zu einer dominikanischen Robusto eher eine Beerenauslese, während eine kubanische Zigarre des gleichen Formats besser mit einer TBA begleitet wird.Wer sich an das Thema Süße im Wein herantastet, hat dazu noch die Wahl zwischen säurereicheren Sorten wie Welschriesling oder milderen Vertretern wie einem Pinot Gris. Diese Rebsorte ist – wie der bereits erwähnte Rotgipfler – ein Beispiel für Weißweinen-Trauben mit rötlichen Beeren, die generell Zigarren-freundliche Prädikate ergeben. Vor allem Rosenmuskateller passt dabei mit seiner kräftigen Art gut zu würzigen Vitolas aus Nicaragua.
Schokoladige Sticks wollen „Rot“
Wo wir schon von Trauben-Farben reden: Nicht vergessen sollte man auch die Süßweine aus roten Rebsorten. Sie stellen hierzulande eine Minderheit dar, prägen aber manchen französischen Dessertwein (etwa Maury oder Banyuls aus der Roussillon). Technisch ist der Banyuls einem Portwein ähnlich, auch dieser Wein wird mit neutralem Schnaps „fortifiziert“. Wichtiger als diese kellertechnischen Details sind aber die aromatischen Eigenschaften dieser Spezialität: Die auf Grenache basierenden Banyuls passen exzellent zu schokoladigem Geschmack. In der Zigarrenwelt umspielen sie mit Beeren-Tönen und Zuckergraden zwischen 50 und 85 Gramm vor allem die Corojo-Tabake aus Honduras, etwa in den „Sticks“ von Christian Eiroas Marke „C.L.E.“.
Wer ein süßes „rotes“ Pairing mit inländischer Beteiligung sucht, wird vorrangig im Seewinkel fündig. Hier bieten Abfüllungen von Gerhard Kracher oder Hans Tschida eine Palette an fruchtigen Intensitätsstufen. Von der Zweigelt Beerenauslese Krachers – einem Tipp zu Café Creme- oder Vanille-Zigarillos – bis hin zum roten Schilfwein mit 311 Gramm RZ, für den der „Angerhof Tschida“ Zweigelt verwendet. Denn wie bei Zigarrenformaten gilt auch bei den Prädikatsweinen: Es gibt etwas für jeden Geschmack!