Das war der (digitale) Fachgruppentag NÖ

Fachgruppentagung
23.04.2021

 
Als Livestream sowie nachträglich verfügbares Youtube-Video feierte ein digitales Format pandemiebedingte Premiere.
v.l.n.r.: Bundesgremialobmann Josef PRIRSCHL, MVG-Geschäftsführer Mag. Hannes HOFER, stv. Bundesgremial- und stv. Landesgremialobmann NÖ Otmar SCHWARZENBOHLER,  Landesgremialobmann und CEDT Präsident Peter SCHWEINSCHWALLER, WKNÖ-Präsident KommR Wolfgang ECKER, Präsident d. französischen Tabakeinzelhändler Philippe COY
In der Mostviertelhalle hatte man eine professionelle Studiosituation aufgebaut. Durch die Sendung führte Moderator Wolf Gruber.

Seit mehr als einem Jahr sind Branchenevents wie Messen, persönliche Treffen mit Bezirksvertrauensleuten und Fachgruppentage dank der mit Covid-19 einhergehenden Einschränkungen nicht mehr möglich. Nachdem die Mitglieder das vor zwei Jahren vorgestellte Informationsformat „Trafikant im Bild“ gut angenommen hatten entschloss sich das niederösterreichische Landesgremium dazu, auch den Fachgruppentag virtuell abzuhalten. Statt in Stockerau fand der heurige Durchgang am Samstag, dem 17. April 2021, ab 15 Uhr als Livestream aus der Mostviertelhalle in Haag statt. Dazu hatte man sich einen kompetenten Technik-Partner gesichert und interessante Diskussionsgäste eingeladen – der Unterschied zu einem „klassischen“ Fachgruppentag sollte so klein wie möglich ausfallen.

Einleitende Worte

Landesgremialobmann Peter Schweinschwaller ließ das vergangene Jahr Revue passieren, das die Mehrzahl der über 1.100 niederösterreichischen Trafiken gut hinter sich gebracht hatte. Von den weniger erfreulichen Dingen erwähnte der Landeschef das Thema Pressevertrieb: Hier wurde die Reduktion der Mehrwertsteuer auf fünf Prozent nicht an die Trafikanten weiter gegeben, weil deren Spanne vom Bruttopreis berechnet wird. Zudem veränderte sich die Qualität der Vertriebslogistik aus Zustellung, Retouren und Abrechnung „von schlecht zu katastrophal“, wie Schweinschwaller meinte. „Da hat man die Aufträge einfach an den billigsten Subunternehmer vergeben. Und genauso läuft das jetzt auch. Liebe Pressegrossisten: Das könnt ihr besser!“

Mit dem vollzogenen „Mick-Maus-Schritt“ statt einer vernünftigen Preiserhöhung bei Zigaretten hatte der NÖ-Chef ebenfalls keine Freude: „Warum müssen wir Trafikanten den Kampf um Marktanteile mitfinanzieren? Zwangsweise Preiserhöhungen aus der EU werden ohnehin kommen – und je weniger man zuvor erhöht, desto brutaler werden die Schritte für die Kunden dann sein!“

Schweinschwaller schloss seine Begrüßung mit dem Appell, den Jugendschutz auch in FFP2-Zeiten ernst zu nehmen. Bei der Umstellung auf das Mindestalter von 18 Jahren gebe es noch Nachholbedarf.

Teil 1: Wie geht es den Trafiken?

„Die Einstufung der Trafiken als systemrelevante Händler war die wichtigste Entscheidung seit dem EU-Beitritt“ meinte Bundesgremialobmann Josef Prirschl. „Davon zehren wir nun seit 15 Monaten!“ Am 12. März hieß es aus der Politik noch „nur über Automaten“; mit Verweis auf Presseprodukte und auf das italienische Vorbild wurde die Einstufung als systemrelevante Sparte erreicht. Anfänglich standen die Trafikanten noch ohne Masken im Geschäft und waren wichtige Ansprechpartner für Bevölkerung. „Mit Fortdauer der Krise sahen wir nach einem anfänglichen Durchhänger ein Comeback des Glückspiels, die Zeitungen haben eine regelrechte Renaissance erlebt.“

NÖ- und Bundesgremialobmann-Stellvertreter Otmar Schwarzenbohler präzisierte die Lage für sein Heimatbundesland: „Für viele Kollegen mit eigenen Vorerkrankungen oder gesundheitlich vorbelasteten Mitarbeitern stellte sich im ersten Lockdown die Frage, ob man ein Offenhalten riskieren soll. Werde ich Kreditraten und vor allem Miete bezahlen können? Eine Mietreduktion ist ja gesetzlich nicht vorgesehen und speziell die ÖBB waren als Vermieter gnadenlos. Insgesamt war das Jahr für Niederösterreich aber ein gutes: Wir hatten ein Plus von 10 Prozent bei Tabakprodukten und vier der fünf Bezirke mit dem stärksten Umsatzzuwachs liegen in Niederösterreich. Die Verlierer sitzen an Frequenzstandorten und in Zentren, wie ich auch selbst erfahren musste: Meine Kundenfrequenz sank gegenüber 2019 auf 38 Prozent, mit den profitablen Nebenartikeln machte ich nur noch 44 Prozent des Vorjahresumsatzes. Dank außen liegender Automaten war zumindest der Tabakumsatz mit 76 Prozent relativ stabil. Das zeigt, dass unternehmerisches Denken immer wichtiger wird – denn das aktuelle Plus wird nicht von Dauer sein!“

WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker meinte, NÖ profitiere von seiner starken Durchmischung und Vielfalt der Branchen, wodurch es deutlich besser als sehr auf Fremdenverkehr und Tourismus fokussierte Bundesländer dastehe. Viele Unternehmer, speziell in der Gastronomie und Nachtgastronomie, bangten dennoch um ihre Existenz.

Teil 2: Was tut sich in der EU?

Peter Schweinschwaller gab einen kurzen Abriss: „Derzeit gibt es viele Gegner für uns Trafikanten, und jetzt auch noch den Anti-Cancer-Report der EU, weshalb ich fast täglich Gespräche zu diesen Themen führe. Wo die Endverkaufspreise hoch sind, stiegen die Verkäufe im Lockdown. Die CEDT fordert deshalb eine Reduktion der Freimengen auf europäischer Ebene und bessere Grenzkontrollen.“

200 Stück Freimenge

Der Präsident der französichen Trafikanten-Vereinigung, Philippe Coy, vertritt 24.000 „buralistes“ in jenem Land, das als erstes und bisher einziges EU-Mitglied die Freimengen von 800 auf 200 Stück gesenkt hatte. Er schilderte: „Wir haben seit 2003 eine hohe Steuerlast auf Tabak und seit 2018 Packungspreise über 10 Euro – und im Lockdown hatten Grenzorte zu günstigeren Ländern ein Plus von 70 Prozent!“ Sein Verbandskollege Jean-Paul Vaslin ergänzte: „Wir haben jetzt Zahlen und wissen, wie hoch der Effekt des kleinen Grenzverkehrs ist! Wir haben gleichzeitig mit Parlamentariern, den Zöllnern, dem Grenzschutz etc. Kontakt aufgenommen und haben das ab 30. Mai 2020 öffentlich kundgetan. Ab Juni haben wir öffentlich Verantwortliche getroffen, am 8. Juli wurde das Parlament damit befasst, das sich mehrheitlich für die 200-Stück-Regelung entschieden hat.“

Auf die Frage, was denn die EU zur eigenmächtigen Senkung der Freigrenze auf 200 Stück gemeint hat, erwiderte Coy: „Wir haben nicht in Brüssel, sondern beim französischen Premier gefragt. Wir haben 2 Mrd. Euro Steueraufkommen-Verlust durch grenzüberschreitenden Verkauf und Schwarzmarkt. Im Büro des Premiers war damals auch der Finanzminister, der einwendete, dass die Reduktion nicht europakompatibel sei und wohl 2-3 Jahre dauern würde. Der Premier meinte dann, wir schicken das einfach zur Abstimmung ins Parlament. Und dieses hat die Reduktion der Freigrenze mit schöner Mehrheit beschlossen.“

Diesen Mut würde sich Bundesgremialobmann Prirschl auch von unseren Politikern wünschen: „Es gibt ein Positionspapier des Bundesgremiums dafür und auch viel Zuspruch aus dem Finanzministerium – allerdings mit der Einschränkung, eine solche Maßnahme im europäischen Kontext umzusetzen. Das geht uns zu langsam! Und wir brauchen dann auch die Kontrollen, damit die reduzierte Freimenge kein Papiertiger bleibt. Sobald die Grenzen wieder offen sind werden wir das schlagartig spüren. Dafür laufen wir!“ Das Bundesgremium der Trafikanten und seine Argumentation für eine Senkung der Freimengen werden dabei auch von MVG-Chef Hannes Hofer unterstützt.

Reizthema Bankomat

Auf die Publikumsfrage nach einer Chance auf Reduktion der Gebühren für Bankomatzahlungen antwortete Otmar Schwarzenbohler: „Die Covid-Krise hat den Zahlungsanbietern voll in die Hände gespielt– Stichwort ´bezahlt alles mit Karte`. Es hat nicht lange gedauert, bis uns Briefe mit Gebührenerhöhung ins Haus geflattert sind. Dem haben wir massiv widersprochen und der Anbieter hat die geplante Erhöhung dann auch nicht durchgeführt. Wir haben ja auch bei der normalen Debit-Karte die Situation, dass wir – anders als der Lebensmittelhandel – Fixspesen zahlen. Diese Ungleichbehandlung muss enden. Zudem können wir die Spesen mit unserer preisgebundenen Ware nicht einfach als Preiserhöhung weitergeben wie der allgemeine Handel. Aber wir hoffen, im zweiten Quartal eine akzeptable Lösung zu erreichen.“

Teil 3: Wohin gehen die Trafiken?

Mit welchen Produkten und Dienstleistungen können sich die heimischen Trafiken langfristig breiter aufstellen? Josef Prirschl meinte dazu: „Alle Produkte, die der Raucher als Ersatz für Zigaretten konsumiert, sind ins Tabakmonopol aufzunehmen. Hier laufen gute Gespräche mit der MVG, Herstellern und der Finanz, der Vorschlag liegt am Tisch. Dazu gehören Pouches, aus meiner Sicht auch Liquids mit Nikotin und künftige Produkte dieser Art. Den Hanf muss man aus dieser Betrachtung ausklammern, weil es für rauchbaren Hanf unter 0,3% THC nur die Umsetzung des geltenden Rechts braucht. Für alle neuen Produkte gilt aber: Sie müssen Ertrags- und nicht nur Frequenzbringer sein! Bei schrumpfenden Tabakmengen benötigen wir langfristig profitablen Ersatz.“

Prirschl´s Stellvertreter Schwarzenbohler hatte ein paar Themen dazu bereit: „Es gibt Nischen und wir können unser Geschäftsmodell um passende Produkte ergänzen. Dabei fokussieren wir auf Alkohol – nicht Bier und Wein – für die Trafik. Es laufen Gespräche mit Anbietern und der Monopolverwaltung. Zum Start wollen wir mit Kleinspirituosen beginnen, wie es sie an Tankstellen gibt. Zu den Nischen: Die Banken reduzieren ihre flächendeckenden Filialnetze – hier könnten wir einfache Finanzdienstleistungen bis hin zum Girokonto übernehmen. Wir haben dazu in einer Arbeitsgruppe unter Einbindung der MVG an einer Lösung gearbeitet, die heuer noch kommen wird. Das war eine komplexe Aufgabe, zu der auch eine Ausbildung gehört. Dieses Konzept werden wir in einer baldigen TIB-Sendung vorstellen.“

Wie geht es aus MVG-Sicht weiter?

Monopolchef Hannes Hofer dazu: „Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es gibt zahlreiche Innovationen im Kernsegment der sensiblen Genusswaren und die gehören ins Monopol. Manche Themen werden wohl noch ein bisschen brauchen, um alle Partner ins Boot zu holen. Das geht bei Produkten leichter, die am Markt – wie Alkohol – nicht neu sind. Im Zentrum der Überlegungen steht aber immer der Kunde und hier spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Hier brauchen wir die richtige Antwort auf den Trend der Verlagerung ins Netz. Die Idee der Bankgeschäfte ist so ein Fall.“

Fortgeschrittenen-Ausbildung

Das Team von Fortbildungsbeauftragtem Schwarzenbohler verfolgte dieses Thema schon länger, hatte es allerdings pandemiebedingt verschieben müssen. Doch heuer geht es los: „Ab Herbst 21 gibt es für Neutrafikanten nach ungefähr einem Jahr eine Fortbildung mit den Inhalten unternehmerisches Denken, Mitarbeiterführung, betriebswirtschaftliche Unternehmenssteuerung auf Basis meiner Zahlen, Kundenverkehr etc. Das haben wir gemeinsam mit dem Wifi NÖ aufgesetzt und freuen uns auf den Start. Natürlich steht dieses Modul auch bestehenden Trafikanten offen.“

Positives Fazit

Auf herkömmlichen Fachgruppentagen hatte das Landesgremium Niederösterreich meist rund 400 Trafikanten begrüßen dürfen. Bei der digitalen Premiere waren selbst zum Schluss noch 515 Zuseher online, insgesamt hatten sich in den knapp 90 Minuten Ausstrahlungszeit 691 Personen eingewählt.

Dazu gab es von den niederösterreichischen Trafikanten rundum positives Feedback. Einerseits dafür, die Trafikanten auf diesem Wege auf dem Laufenden zu halten. Andererseits für die professionelle Umsetzung und die hohe Aktualität. Auch die Möglichkeit, eigene Fragen während des Livestreams beantwortet zu bekommen, wurde vielfach gelobt.

Das Risiko, das Peter Schweinschwaller und sein Team mit dieser Premiere eingegangen sind, hat sich also ausgezahlt.

Die knapp 1,5stündige Aufzeichnung des Livestreams kann hier angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=LuukDCkwsC4