Cannabis vor völliger Neubewertung?

Hanf
17.09.2018

 
Ein Umdenken in maßgeblichen Gremien der Weltgesundheitsorganisation könnte mittelfristig zu einer Neubewertung und Entkriminalisierung von Cannabis führen. 

Im Jahr 1961 ordnete ein UN-Abkommen Cannabis (ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage) in die gleiche Liste von Gift- und Suchtstoffen wie Heroin, Kokain und das nochmals gefährlichere ­Fentanyl ein. Dies war vielfach die Grundlage für staatliche Verfolgung von Konsumenten und Händlern – sowie deren Gleichbehandlung mit den Dealern der genannten gefährlichen Suchtmittel. Nur 57 Jahre, Millionen von Vorstrafen und mit derartigen „Delinquenten“ gefüllte Gefängnisse später scheint nun eine grundsätzliche Neubewertung von Cannabis in Reichweite zu sein.

CBD
Das Expertenkomitee zur Drogenabhängigkeit ECDD der WHO stellte bei seinem 40. Treffen fest, dass das im Cannabis enthaltene Cannabidiol (CBD) immer häufiger für medizinische Therapien eingesetzt werde. Selbst die WHO findet keine Nachweise dafür, dass der Konsum von purem CBD süchtig mache oder gesundheitsschädlich sei. Ganz im Gegenteil: CBD wird immer häufiger und mit großem Erfolg bei der Behandlung von Epilepsie, aber auch Migräne und sonstiger Schmerzen eingesetzt.
Auf dieser Grundlage empfiehlt das ECDD, die Substanz CBD ersatzlos aus der Liste des UN-Abkommens von 1961 zu streichen.

THC
Etwas differenzierter sieht die Sache bei Tetrahydrocannabinol, kurz THC, aus: Dieses hat bei regelmäßigem Konsum bekannte mögliche Nebenwirkungen wie Angststörungen, Depressionen und Psychosen. Gleichzeitig liegen medizinische Forschungsergebnisse vor, die seine Wirksamkeit bei der Behandlung von chronischen Schmerzen, Schlafstörungen und Multipler Sklerose unterstreichen.
In Summe wertet die WHO aber, dass keine Daten vorliegen, welche die Existenz von Cannabis in der Liste des UN-Abkommens rechtfertigen würden. Das ECDD empfiehlt auch hier, diese Einordnung kritisch zu hinterfragen.

Neue Entwicklungen
Im November 2018 trifft das ECDD zu seinem 41. Treffen zusammen, wo ein abschließendes Urteil erwartet wird. Dieses hat zwar nur Empfehlungscharakter, und es obliegt dem UN-Generalsekretär, ob er den Bericht vor die Suchtstoffkommission der UNO bringt. Allerdings hat Antonio Guterres vor 15 Jahren als portugiesischer Premierminister maßgeblich zur Entkriminalisierung von Drogen in seinem Land beigetragen. 
Sollte der Bericht vorgelegt werden, so wäre eine Neueinstufung von Cannabis mit März 2019 möglich: Die Hanfprodukte würden dann von der hochgefährlichen Droge zur mehr oder weniger harmlosen Substanz umdeklariert, wenn sie aus dem Abkommen von 1961 gestrichen würden. Hier hat auch das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC großen Einfluss. Es wäre für die Einberufung jener Sitzung zuständig, welche das 57 Jahre alte Abkommen ändern müsste. Wie rasch das als konservativ bekannte UNODC diesen Schritt setzt bleibt abzuwarten.
Selbst eine baldige Streichung des ­Cannabis von der Suchtmittelliste hätte zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gesetzeslage einzelner Länder, würde der weiteren Strafverfolgung aber jegliche nachvollziehbare Grundlage rauben. Eine längerfristige Legalisierung von Cannabis wäre die einzig logische Reaktion.