„Ciao, ÖBB …“

21.06.2021

Der Kärntner Trafikant Michael Lesjak zog nach über 30 Jahren mit seiner Trafik aus dem Hauptbahnhof Villach aus – und bereut seine Entscheidung keine Sekunde.

m vorderen wie hinteren Verkaufsraum laden Leuchtelemente zum Betreten ein; der Durchgang durch die tragende Kaminmauer hat die maximal mögliche Breite. Das klare Konzept – vorne Rauch- und Nikotinprodukte, hinten Zeitschriften, Billets und Geschenkartikel – verhindert Kollisionen zwischen eiliger Laufkundschaft und den in Ruhe gustierenden Konsumenten.

Seit 1984 gab es eine Trafik Lesjak am Bahnhof, der heutige Trafikant übernahm sie 1996 von seinem Vater und verlegte sie 2010 in ein neues, größeres Geschäftslokal. 2020 kehrte er dem Bahnhof den Rücken: „Mein Geschäft lag nicht in der Haupthalle, sondern in der unterirdischen Bahnhofspassage. Dort haben mittlerweile fast alle anderen Läden bis auf zwei Bäckereien zugesperrt. Diesen Frequenzverlust habe ich gespürt, das damalige Lokal war mit 68 Quadratmetern ohnehin zu klein und somit erübrigte sich auch eine Vertragsverlängerung mit den ÖBB auf weitere zehn Jahre“, erklärt ­Michael Lesjak. Im Februar 2019 fiel die Entscheidung zum Auszug.

Das Pflichtenheft fürs neue ­Geschäft

Die neue Trafik sollte vor allem deutlich größer sein. „Wir haben schon zuvor das komplette Sortiment geführt – es fehlte aber einfach der Platz für eine vernünftige Präsentation. Wie sollen die Kunden Lust auf Produkte entwickeln, die bei mir aus Platzmangel in der Schublade liegen?“, verdeutlicht Lesjak sein Problem. „Auch wenn ich nicht ausgezogen wäre, hätte ich das alte Geschäftslokal nach zehn Jahren an die neuen Produktgruppen anpassen müssen.“

Auch die Lagerflächen sollten größer werden, um sich künftig die Rennerei in die zu Bahnhofszeiten notwendigen beiden Außenlager der Trafik ersparen zu können. 

Partnerwahl

Wie schon beim Umbau 2010 kontaktierte der Trafikant Trup Design. „Wir waren damals vermutlich die erste Trup-Trafik in Kärnten“ erzählt der Trafikant „Mir gefällt, dass die Trafiken jeweils am Puls der Zeit liegen und einfach anders aussehen.“ Im Februar dieses Jahres war man nach zahlreichem Hin und Her mit der Detailplanung fertig – und dann kam ­Corona. „Durch diese Zeit haben uns unsere gut 70 Prozent Stammkundenanteil quasi durchgetragen. Von den Laufkunden hätten wir nicht leben können, zumal viele Villacher nach 36 Jahren immer noch nicht wussten, dass es im Bahnhof eine Trafik gab.“

Das neue Geschäftslokal liegt nur 50 Meter vom Bahnhofseingang entfernt und bietet in zwei Räumen 95 Quadratmeter Verkaufsfläche sowie weitere 20 Quadratmeter für Büro und Nebenräume im oberen Geschoß. Um die Kernsanierung, die maximal mögliche Verbreiterung des Durchbruchs zwischen den beiden Verkaufsräumen sowie eine Rampe für behindertengerechten Zugang kümmerte sich der Trafikant, den Rest erledigte Trup ­Design.

Nachdem der Vertrag mit den ÖBB mit Ende Juni 2020 auslief und niemand so recht wusste, wie sich Lockdown und etwaige künftige Corona-Folgen auswirken würden, gaben alle Beteiligten so richtig Gas. So war die neue Trafik Lesjak letztlich schon Anfang Mai fertig und wurde mit 11. Mai 2020 – deutlich vor Plan – eröffnet.

Das ist neu

Die Zeit als „Kellerkind“ in der Passage ist Vergangenheit: Die neue Trafik ist durch ihre Lage an der Bahnhofsstraße nicht nur viel sichtbarer, sondern auch heller, freundlicher, weitläufiger und einfach deutlich netter anzusehen. Das Geschäftslokal ist mit Hintergedanken zweigeteilt: Im vorderen Raum dreht sich alles ums Rauchen, von Zigaretten über Cigarren, E-Zigaretten etc. bis zur Shisha; bei Skruf erfüllt man Flagshipstore-Standards und führt alle in Österreich erhältlichen Lutschsäckchen. Im hinteren Raum geht es eher ums Gustieren von Zeitschriften, Geschenksartikeln, Billets etc., für die viele Kunden auch aus dem weiteren Umkreis anreisen. „Damit hat sich auch die Verweildauer der Kunden erhöht, weil wir das Zeitschriftensortiment jetzt nicht mehr so gedrängt, sondern freier präsentieren können und die Menschen jetzt nicht mehr mit den Laufkunden kollidieren“, erklärt Lesjak. „Die Nebenartikel-Umsätze haben sich mit der verbesserten Warenpräsen­tation deutlich erhöht.“

Viel positives Feedback

Der Großteil der Stammkunden hat der Trafik Lesjak die Treue gehalten – und war von der neuen Einrichtung teils sogar sprachlos, wie der stolze Trafikant erzählt: „Die Leute waren echt begeistert, und ich habe viel Lob für mein neues Geschäft bekommen. Es haben sich auch viele Kollegen, sogar aus Wien, meine neue Trafik angesehen, weil sie davon gehört haben.“
Große Veränderungen

Ein Teil des Stammkundenverlusts resultiert aus den geänderten Öffnungszeiten: Im Bahnhof hatte man 105 Wochenstunden geöffnet, jetzt gelten die maximal 66 Stunden. „Wir haben jetzt MO–FR von 6.30 bis 18.30 Uhr und am Samstag von 8.00 bis 14.00 Uhr geöffnet, und die Lebensqualität hat sich ganz klar verbessert. Den Umsatz vom alten Geschäft erreichen wir damit aber nicht, alleine schon durch die Sonn- und Feiertage haben wir 66 Tage weniger pro Jahr geöffnet, dazu unter der Woche kürzer. Das hat klarerweise Auswirkungen. Mein Ziel ist es deshalb auch, den vorherigen Umsatz wieder zu erreichen. Dann stehe ich mit geringerer Miete und niedrigeren Lohnkosten wieder gut da. Ich habe ja trotz verkürzter Öffnungszeiten meinen Personalstand gleich gelassen, weil ich verhindern wollte, dass ich mich von Mitarbeitern trenne und sie dann nach einem halben Jahr wieder zurückholen muss.“

Große Ziele

Auf die Frage, ob er nach drei Monaten im neuen Geschäft rückblickend etwas anders gemacht hätte, antwortet ­Michael Lesjak: „Ein bisserl leid tut es mir um den begehbaren Humidor aus dem alten Geschäft – der hätte hier, wo ich das gleiche Sortiment in Schränken präsentiere, wohl besser funktioniert. Aber ganz ehrlich? Mein Traum wäre eine 200 Qua­dratmeter große Großraum-Trafik. Mal sehen, ob daraus in fernerer Zukunft einmal etwas wird.“

Erstmalig veröffentlicht 2020
 

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