Pairing

Schaum oder Traum? Zigarren und „Schampus“

Zigarren
14.11.2023

Das letzte Quartal ist ein prickelndes: Die Hälfte aller Schaumweine wird bis Silvester getrunken. Für festliche Momente eignen sich auch Zigarren. Doch passen diese beiden zusammen?
Schampus

Vergessen wir einmal das Film-Klischée, bei dem Double Coronas von Champagner in Strömen begleitet werden. Tatsächlich hat der Schaumwein, egal ob er aus der Champagne oder dem Weinviertel stammt, ein Problem: Seine Säure kracht wie eine Meereswelle gegen die Gerbstoffwand der Zigarre – und zerschellt aromatisch an dieser Klippe aus Tabak. Der kleinste Bitter-Ton im Rauch kann sich durch Zitrusnoten und Kohlensäure unangenehm potenzieren. Die Wahl des richtigen Sekts ist also entscheidend; denn auf der Haben-Seite können die flaschenvergorenen Schaumweine einiges bieten. Niedrigere Alkohol und ihre erfrischende Art sorgen dafür, dass man auch größere Formate mit einer ganzen Flasche begleiten kann. 
Zudem reinigt jeder Schluck den Gaumen wieder und schafft so Raum für eine höhere aromatische Wahrnehmung des Zigarren-Geschmacks. Das allein schafft zwar auch ein Glas Soda, doch der ideale Schaumwein ist nicht nur ein „Kärcher für den Mund“, sondern schließt auch aromatisch an die Zigarre an. Im besten Falle füllt er das, was die Sensoriker die „systematische Lücke“ nennen. Der prickelnde Begleiter ergänzt also jene Geschmackseindrücke, die eine Zigarre aufgrund ihrer Herstellungsweise nicht bilden kann (wie eben säurige Noten).

Rosa heißt nicht auch „milder“

Spannend wird diese prickelnde Kombination auch dadurch, dass die naheliegende Überlegung zumeist nicht gilt. Nämlich die Theorie, dass auf roten Rebsorten basierende Schaumweine (wie Rosé-Champagner) besser zur Zigarre passen als Säure-reichere Weißwein-Sorten. Denn auch hier wollen die Winzer – zumindest im Bereich von „Brut“ und darunter liegenden Süße-Graden – säurige Frische ins Glas bringen. Spätestens bei wirklich kräftigen Formaten ist damit der rosa Schaumwein aus dem Rennen! 
Geht es hingegen um eine Aperitif-Zigarre, die vielleicht kein Longfiller ist, kann allerdings ein auf Pinot Noir basierender Sekt durchaus punkten. In Österreich gehören aber auch Cuvées aus Zweigelt und Blaufränkisch zu den fruchtigen Optionen, die weniger Säurigkeit aufweisen. Etwa der „Rosé des Rouges“ vom burgenländischen Routinier Peter Szigeti mit dezenten 6 Gramm Säure. Hat man Kontakt zum Winzer, empfiehlt sich eine solche Nachfrage nach den technischen Werten eines Schaumweins durchaus.

Wie süß soll es denn werden?

Gleiches gilt für die so genannte Dosage, also den Zuckergehalt eines Sekts oder Champagners. Sie liefert der Zigarre ein relativ klares Spielfeld. Die aktuell bei Sommeliers beliebten Abfüllungen mit unter drei Gramm Zucker pro Liter Wein (am Etikett als „Pas dosé“, „Dosage zéro“ oder „Brut Nature“ erkennbar), ergeben meist einen unangenehmen metallischen Touch zur Zigarre.
Da aber die Bitterstoffe auch Süße potenzieren, sollte Schaumwein auch nicht über „Extra dry“ (zwischen 12 und 17 Gramm/Liter) hinausgehen. Ideal wäre das untere Level dieser Kategorie oder der obere Bereich eines „Brut“ (weniger als 12 Gramm). Hier finden erwünschte Süße, Frische und fruchtiger Ausdruck ihr Optimum.
Will man nach all den Vorsichtsmaßnahmen in Sachen „Bubbles & Smoke“ auch eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen, dann gilt diese sicher reiferen (!) Chardonnay-Sekten. Hat sich die erste Frische in Richtung breiterer Anlagen verabschiedet, dann bilden die tropenfruchtigen Noten ein richtiges aromatisches „Bett“, in dem sich auch kräftigere Vitolas mit Bitterschokolade-Ausdruck bequem machen können. Mango und Maracuja schmeicheln den Zigarren, dazu kommt ein Phänomen, das sich vor allem bei zehn Jahre und länger gereiften Jahrgangschampagnern oft zeigt: Hier erfolgt mitunter die Frischzellen-Kur durch die Rauchware, vor allem bei Puros aus vulkanischen Anbau-Regionen wie Vuelta Abajo (Kuba) oder (Nicaragua). Wer ansonsten die mürbere Aromatik eines reifen Schaumweins nicht so schätzt, wird überrascht von diesem Zusammenspiel sein.
Puro und Prosecco? Naja...
Und der Prosecco? Hier sollte man darauf achten, einen „Spumante“ und keinen „Frizzante“ zu wählen. Die Kohlensäure ist dabei zwar höher, aber auch der aromatische Widerpart. So verhindert man, dass die Zigarre den sprudelnden Italiener förmlich aufsaugt. Die beste Wahl aus Italien aber wäre der bewusst auf Cremigkeit ausgelegt „Satén“. So nennt man in der Franciacorta jene Sekte, die sich durch niedrigeren Druck (max. fünf Bar) auszeichnen und ein an Seide erinnerndes Mundgefühl aufweisen. Hier sind dominikanische Mittelgewichte, aber auch weniger fordernde Kubaner (z. B. Hoyo de Monterrey) bestens aufgehoben.
Soll es hingegen luxuriös werden, darf man sich auf die Spuren eines großen Zigarren- und Zigarren-Liebhabers begeben. Romeo y Julietas „Wide Churchill“ läßt sich mit einem Champagner kombinieren, der ebenfalls den Namen des legendären Briten-Premiers trägt: Pol Rogers „Cuvée Sir Winston Churchill“. Alternativ bieten Sie ihren Kunden lange gereifte Zigarren aus dem Humidor an, sie überzeugen in der Regel zu den sogenannten Önothek-Schaumweinen (Austro-Tipp dafür wäre der Weinviertler Christian Madl). So wartet ein wahres Gaumenfest zu Weihnachten oder Silvester!

Sprudel und Süße

Zucker – alias Fülldosage – löst die zweite Gärung von Schaumwein in der Flasche überhaupt erst aus. Für harmonischeren Geschmack kann auch eine „Versanddosage“ (Zucker in Gramm/Liter) beigefügt werden. So sind die verpflichtend am Etikett zu führenden Bezeichnungen zu verstehen:

- Zéro Dosage/Brut nature: unter 3g/l
- Extra Brut: 0 bis 6g/l
- Brut: unter 12g/l
- Extra Dry: 12 bis 17 g/l
- Sec/Trocken: 17 bis 32 g/l
- Demi Sec/halbtrocken: 32 bis 50 g/l
- Doux/süß: mehr als 50 g/l