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Studie: Das "Spielgeld" wird knapp

Studie
06.07.2022

 
Die Studie "So geht´s uns heute" des Sozialministeriums und des Instituts für Höhere Studien IHS erhebt aktuell Finanzen und finanzielle Probleme der Bevölkerung.
Im Februar und März 2022 waren über 3.000 Menschen zu ihrer finanziellen Situation befragt worden.
Wer schon vor dem Ukraine-Krieg finanzielle Schwierigkeiten hatte erlebte im ersten Quartal 2022 eine Verschärfung.

Die erste Studie dieser Art war im vierten und letzten Quartal des Vorjahres unter rund 3.500 Befragten zwischen 16 und 69 Jahren erhoben worden. Für den zweiten Durchgang unter 3.150 Befragten wurden nach Möglichkeit die gleichen Personen kontaktiert und eine Wiederholquote von 65 Prozent erreicht.

Mit Vorsicht zu genießen

Und in vielen Aspekten ist eine leichte Verbesserung von Ende 21 auf Anfang 22 ablesbar. Allerdings wurde die Q1-Studie im Februar und März 2022 durchgeführt – ihre Ergebnisse sind also mit großer Vorsicht zu interpretieren: Der russische Überfall auf die Ukraine fand Ende Februar statt und die Folgen wie Energieverteuerung und galoppierende Inflation wurden erst mit einer gewissen Verzögerung spürbar und ihr wahres Ausmaß erst später sichtbar.

Mehr oder weniger Geld?

In der Gesamtbevölkerung gaben 34,5 Prozent (34,0 in 2021) an, ihr Haushaltseinkommen hätte sich in den vergangenen 12 Monaten verringert, bei 45,8 Prozent (50,2) blieb es gleich und 19,8 Prozent (15,7) berichteten von Zuwächsen.

Bei den Gründen für das sinkende Haushaltseinkommen führen reduzierte Arbeitszeit/verringerter Lohn mit 23,7 Prozent (28,4 in 2021) – die Reduktion der Quote ist vorrangig auf das Ende von Kurzarbeit zurückzuführen. Die Inflation wird mittlerweile von 20,5 Prozent (16,2), andere Gründe von 19,6 Prozent (16,1) genannt.

Unter den Arbeitslosen (63,4%), Hilfsarbeitern (45,9%) und Alleinerziehenden (41,5%) ist der Anteil mit sinkendem Haushaltseinkommen jedoch überdurchschnittlich hoch; die Arbeitslosen sind auch die einzige Gruppe ohne jegliche Zuwächse. Und jede dritte Mehrkindfamilie (3 oder mehr Kinder) verfügt über ein Pro-Kopf-Haushaltseinkommen von weniger als 1.000 Euro im Monat.

Es wird knapp

Die Lage hat sich nur auf den ersten Blick gegenüber Ende 2021 verbessert.

Wer hat besonders häufig Probleme, mit dem Haushaltseinkommen finanziell über die Runden zu kommen? In der Gesamtbevölkerung fallen 12,8 Prozent (14,9 im Q4 2021) in diese Gruppe, was einen Rückgang um rund zwei Prozent gegenüber der ersten Erhebung bedeutet. Im Kreis der Wenigverdiener, Pflichtschulabsolventen, Arbeitslosen, Hilfsarbeiter und nicht in Österreich Geborenen sind ebenfalls Verbesserungen zwischen 2,5 und 8 Prozent erkennbar – nur bei Alleinerziehern (+3,2%) und Mehrkindfamilien (+1%) wurde es schon im ersten Quartal dieses Jahres knapper.

Dies wird bspw. bei Problemen, Miete, Betriebskosten oder Wohnkredite rechtzeitig bezahlen zu können, sichtbar. Mit 31,9 Prozent hat fast jeder Dritte Arbeitslose dieses Problem (23% im Q4 2021) – gegenüber 8 Prozent an Betroffenen in der Gesamtbevölkerung.

Wo wird gespart?

Jeder fünfte Arbeitslose hat keine fixe warme Mahlzeit in 48 Stunden.

Unerwartete Ausgaben von 1.300 Euro würden gleich 64 Prozent der Arbeitslosen (Gesamtbevölkerung 26,8%) vor Probleme stellen, sie können sich mit 52 Prozent (23,2%) auch keinen einwöchigen Urlaub leisten, was auch jedem dritten Haushalt von Alleinerziehern oder Mehrkindfamilien nicht möglich ist. Und während sich jeder fünfte Arbeitslose keine warme Hauptmahlzeit jeden zweiten (!) Tag leisten kann ist es auch schon jeder achte Alleinerzieher-Haushalt.

12,4 Prozent der Gesamtbevölkerung können sich selbst Kleinigkeiten nicht so einfach gönnen. Diese Quote steigt bei Wenigverdienern auf 28, Arbeitslosen auf 42 sowie Hilfsarbeitern, Zuwanderern, Alleinerziehern und Mehrkindfamilien auf Werte zwischen 22,5 und 26,4 Prozent.

Das „Spielgeld“ wird weniger

Wenn wachsenden Teilen einer Bevölkerung das Geld für so essenzielle Dinge wie Heizung, warmes Essen etc. zu fehlen beginnt und jeder Achte sich keine kleinen Freuden mehr leisten kann ist das für den Konsum auch nicht gut: Mit knurrendem Magen und unbezahlter Miete werden Dinge wie das Rauchen, ein ausgefüllter Lottoschein oder ein netter Mitnahmeartikel zu immer schwerer stemmbaren Luxusausgaben.

Trübe Aussichten

Nach ihrer Erwartung der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs gefragt, rechnen 53,1 Prozent der Befragten mit einer Verschlechterung, 22,4 Prozent mit einem Gleichbleiben und 24,5 Prozent mit einer Verbesserung. Damit hat sich zwar der Anteil der Optimisten (+10%) gegenüber Ende 2021 erhöht und jener der Pessimisten um 9,5 Prozent verringert. Doch wenn immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ausgeht sieht auch das Konsumklima entsprechend düster aus. Wer es sich (noch) leisten kann tätigt derzeit zumindest die notwendigen Investitionen, doch auch er/sie schiebt Dinge wie einen Neuwagenkauf auf. Für immer mehr Menschen in Österreich stellt sich eine solche Frage allerdings gar nicht mehr.

Und die veröffentlichte Studie aus dem ersten Quartal 2022 ist vermutlich erst die Spitze des Eisberges. Da kommt noch was nach.

Fortsetzung Juli 2022

Was bereits befürchtet wurde untermauern nun aktuelle Zahlen. Im Juli verzeichnete Österreich laut Statistik Austria eine Inflationsrate von 9,2 Prozent – die höchste seit März 1975. Lebensmittelpreise sind gleich um 11,3 Prozent gestiegen.

Dazu passt weiteres Zahlenmaterial leider nur zu gut: Laut Aussendung des Handelsverbands vom 1. August spüren mittlerweile 97 Prozent aller Österreicher die Teuerung in der Haushaltskasse, 68 Prozent müssen sich finanziell einschränken und fast ein Viertel gar auf lebenswichtige Dinge konzentrieren. Dies sind wohlgemerkt Werte der Gesamtbevölkerung – wie es Arbeitslosen, Mehrkinderhaushalten und Alleinerziehern geht stellt man sich vor diesem Hintergrund besser nicht vor. Die Privatinsolvenzen haben jedenfalls um 36 Prozent zugelegt.

Und auch vor der Wirtschaft macht der Negativtrend laut Information der Creditreform nicht halt: Nachdem marode Unternehmen mit Steuergeld durch die Corona-Krise getragen wurden kommt das dicke Ende nun mit Verspätung – die Firmeninsolvenzen verzeichnen einen Rekordzuwachs von 121 Prozent, was 20 täglichen Insolvenzen entspricht. Besonders betroffen sind derzeit Kredit- und Versicherungswesen, Handel und Transport.

Derweil scheitern die „überlebenden Betriebe“ in Handel und Gastronomie immer häufiger an der Personalsuche und können offene Stellen nicht nachbesetzen. Eine giftige Kombination.

Zur Studie von Sozialministerium und IHS geht es hier: https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Soziale-Krisenfolgen-BerichtW2-2022.pdf